Donnerstag, 23. Februar 2012

Karlaschnikov und seine Privatsphäre


Ich finde ihn relativ witzig, den Werbespot von T-Mobile im österreichischen Fernsehen, in der sich der smarte Vater über den Freund seiner Tochter informiert. Cool hat er sich bereits online darüber Klarheit verschafft, wer Karl eigentlich ist und was er sonst so in seiner Freizeit macht. Zukunftsmusik ist das alles bestimmt keine mehr, gehen doch Jugendlichte mit ihrer Privatsphäre gänzlich anders um, als das die Generation noch vor ihnen getan hat. Und das sieht man auch an der Reaktion von Karl. Er fühlt sich vom Vater seiner Freundin nicht auf den Schlips getreten, sondern empfindet die Aufgeschlossenheit in Bezug auf die - nun nennen wir es diplomatisch Online Recherche auch noch als cool.

Scheren sich Jugendliche nicht mehr um ihre Privatsphäre? So pauschal kann man das wiederum auch nicht behaupten, ansonsten würden sich nicht viele Jugendliche an den jüngsten Protesten gegen SOPA, PIPA und ACTA beteiligen. Privatsphäre ist sehrwohl etwas, das auch der Millenial noch schätzt. Es ist ihm aber müßig geworden, Dinge immer wieder erzählen zu müssen und ständig im Gefühl einer Bringschuld zu stecken. Soziale Netzwerke haben genau diesen Nerv getroffen. Es entscheide immer noch ich, welche Inhalte über mich verfügbar sind. Primär dadurch, welche Inhalte ich als Status auf meinem Profil veröffentliche, aber auch dadurch, wo ich mich mit wem aufhalte. Jeder, der möchte und Zugriff hat, kann sich dann darüber informieren, was um mich herum in letzer Zeit so passiert ist und was ich gemacht habe. Die Summe dieser Dienste kann ein gutes Bild darüber liefern, wer und wie wir wirklich sind - gerade auch für Eltern stellt dies eine gute Möglichkeit dar, ein bisschen im Auge zu haben, was den Sprössling den so bewegt und was er so treibt. Man könnte das natürlich als Überwachung titulieren, andererseit könnte man darunter auch eine gesunde Portion Beschützerinstinkt seitens der Eltern ausmachen.

Karl hätte sich wohl kräftig ins Zeug legen können, möglicherweise noch versuchen können, mit überzogenem Auftreten den Vater seiner Freundin zu überzeugen, dass er jedenfalls gut genug sei, die Holde für einen Abend ausführen zu dürfen. Der Vater wäre womöglich skeptisch gewesen, was von dem, was Karl ihm da alles aufgetischt hätte, tatsächlich der Wahrheit entsprach. Andersherum konnte sich der Vater direkt ein Bild davon machen, worüber Karl in den sozialen Netzwerken redet und was er denn so macht, beispielsweise dass er eben in einer Band spielt. Karl hat bestimmt auch einen Service wie Foursquare benutzt, um seine Kumpels wissen zu lassen, wo er sich denn immer so aufhält. Auch das hat dem Vater vielleicht geholfen, zu sehen, dass der Karl eigentlich für einen Teenager nicht über die Maßen unvernünftig ist.

Die Art und Weise, wie Millenials mit ihrer Privatsphäre umgehen, unterscheidet sich tatsächlich stark davon, wie das noch Generationen direkt davor gemacht haben - und gerade darin liegt eine große Chance für die Veränderung, wie wir miteinander interagieren, privat wie geschäftlich - weil wir dadurch bewusst transparenter für jene Menschen werden können, mit denen wir in Interaktion treten. Das kann durchaus hin und wieder zum eigenen Nachteil gereichen, im Allgemeinen aber überwiegen die Vorteile. Auch für das zwischenmenschliche Scheitern in diesem Bereich hat die Jugendkultur einen Begriff gefunden. #LFMF - Der Begriff "Learn From My Fail" steht dafür, dass wenn es passiert, es nicht länger notwendig ist, dieses Scheitern unter den Tisch zu kehren. Einer meiner Arbeitskollegen sagt immer: "Es gibt Tage, da frisst du den Bären, und es gibt Tage, da wirst du vom Bären gefressen." - und das geht jedem so. An Ende jedes Tages, wenn der Bär wieder einmal stärker war, gibt es immer noch die Möglichkeit, daraus für die Zukunft zu lernen. Fehler zu machen ist nicht mehr der große Dealbreaker, der es mal war - und das ist auch gut so. Wer sich weiter entwickeln will, wird zwangsmäßig auch immer mal wieder scheitern. Und dafür braucht man sich nun wirklich nicht zu schämen, nicht wahr?